Aktueller Rechtstipp zum Berliner Tunnelraub –Was können die geschädigten Kunden tun?
Die Fahndung nach den Berliner Tunnelräubern läuft auf Hochtouren. Mit den geschädigten Kunden will die Berliner Volksbank ab kommenden Montag Gespräche über die Regulierung des Schadens führen. Für die Geschädigten – aber auch andere Schließfachbesitzer und viele Verbraucher – stellt sich die Frage, welche Rechte ihnen eigentlich zustehen, wenn der Inhalt ihres Schließfaches aufgrund eines dreisten Diebstahls, eines Feuers oder eines Wasserschadens zerstört wird oder abhanden kommt.
Der Berliner Rechtsanwalt und Mediator, Michael Plassmann, Vorsitzender des Ausschusses Außergerichtliche Streitbeilegung der Bundesrechtsanwaltskammer (BRAK), hat jahrelang in einer Bank gearbeitet. Er empfiehlt den geschädigten Kunden, „vor Abschluss der Ermittlungsergebnisse keine vorschnellen Regulierungs-vereinbarungen mit der Berliner Volksbank zu schließen“. Im nachfolgenden Interview stellt er sich den rechtlichen Fragen und gibt Handlungsempfehlungen für die geschädigten Kunden.
1. Wann werden Bankkunden entschädigt?
Zunächst muss man wissen, dass es in Deutschland keine Standard-Vertragsbedingungen für Schließfächer gibt. Infolgedessen hängt eine mögliche Entschädigung des einzelnen Kunden zum einen von den konkreten Vertragsbedingungen der jeweiligen Bank und zum anderen von dem individuellen Versicherungsschutz des Bankkunden ab.
Grundsätzlich aber gilt Folgendes:
- Bankkunden können auf eine Entschädigung hoffen, wenn sie bei der Eröffnung des Schließfaches eine separate Versicherung für den Schließfachinhalt abgeschlossen haben oder im Verwahrvertrag mit der Bank – was weder die Regel noch bei der Berliner Volksbank der Fall ist – der Schließfachinhalt ausdrücklich mitversichert worden ist.
- Darüber hinaus kann sich der Kunde Hoffnung auf eine Entschädigung machen, wenn er über eine hochwertige Hausratversicherung verfügt, die auch den Verlust von Wertsachen in einem Bankschließfach mitumfasst.
- Zu guter Letzt käme grundsätzlich auch eine Entschädigung durch die Bank, in die eingebrochen wird, in Betracht, wenn sie für den eingetreten Schaden ein Verschulden trifft.
2. Wann haftet die Bank?
Grundsätzlich hat die Bank nur die Pflicht, die Wertsachen ordnungsgemäß zu verwahren, das heißt, bei Einbruch, Feuer oder Überschwemmung haftet sie nur, wenn sie ein Verschulden daran trifft. Das bedeutet: Wenn die AGB der Bank oder die jeweiligen Sonderbedingungen für die Vermietung von Schließfächern keine explizite Haftung für derartige Schadensfälle vorsieht, kann der Anleger nur Schadensersatz von der Bank verlangen, wenn die Bank für den eingetretenen Schaden des Kunden ein Verschulden trifft. Ohne die aktuellen Ermittlungsergebnisse zu kennen, scheinen mir im Moment 3 Anknüpfungspunkte denkbar:
- Mögliche Nachlässigkeiten der Bank im Rahmen bau- und sicherheitstechnischen Vorkehrungen, die jedoch nur durch Sachverständige beurteilbar sind.
- Sorgfaltspflichtverletzungen des beauftragten Sicherheitsdienstes, als dieser vor Ort geprüft hat, warum es zu der Alarmmeldung gekommen ist. Es geht dann um die Frage: Was haben die Wachmänner nach der Alarmmeldung tatsächlich getan und was hätte man beim vorliegenden Sachverhalt von einem ordnungsgemäßen Wachdienst erwarten können
- Zudem könnte man prüfen, ob die Bank bei der Kontoeröffnung – als Nebenpflicht zum Verwahrvertrag – den Kunden auf die Notwendigkeit einer separaten Versicherung für den Einbruchsfall hingewiesen hat.Diese Information wäre insofern wichtig, als der Kunde davon ausgehen darf, dass sein Geld nicht nur bei einem Bankraub, sondern auch bei einem Einbruch in Schließfächer geschützt ist. Für diese Verpflichtung könnte zudem sprechen, dass andere Volksbanken beispielsweise ausdrücklich zwei Tarife – mit und ohne Versicherungsschutz – für Schließfächer anbieten bzw. bei anderen Kreditinstituten die jährliche Mietpauschale den Versicherungsschutz mitumfasst. Gerade diese wichtige Information erwartet der Kunde, wenn er seine Wertsachen nicht unter der Matratze, sondern im Glauben auf die besondere Sicherheit – seiner Bank anvertraut. Insofern wäre konkret zu prüfen, ob die Kunden bei Abschluss des Verwahrvertrages über dieses Risiko umfassend aufgeklärt wurden.
3. Wie kann ich mich als Kunde vor einem Schließfach-Diebstahl schützen?
Gegen dreiste Einbrecher kann sich der Kunde leider nicht schützen, aber er sollte überlegen, eine separate Versicherung für das Schließfach abzuschließen oder – sofern er hohe Werte im Schließfach deponieren möchte – den Deckungsumfang seiner Hausratversicherung zu erweitern. Zudem gilt: Bargeld ist auf dem Spar-, Giro- oder Festgeldkonto immer besser aufgehoben: Selbst bei einer Pleite der Bank haftet der Einlagensicherungsfonds.
4. Gibt es Versicherungen diesbezüglich?
Ja, neben hochwertigen Hausratversicherungen, die auch Einbrüche in Bankschließfächer abdecken, bieten die meisten großen Versicherungsgesellschaften auch spezielle Schließfachversicherungen, die Schäden durch Feuer, Diebstahl oder Zerstörung absichern, an.
5. Wenn ja, wie teuer ist diese und was genau deckt sie ab?
Die Kosten der Police sind regelmäßig an den Wert der Versicherungssumme geknüpft, hier gilt die Faustregel 1 Promille der Versicherungssumme, d.h. zum Beispiel bei einer Versicherungssumme von 30.000,00 Euro, 30,00 EURO jährlich. In manchen Hausratversicherungen wie beispielsweise bei der Allianz oder besonderen Produkten von MLP sind Wertgegenstände in Schließfächern bis zu einer Höhe von 20.000,00 EURO mitversichert.
6. Was ist, wenn sich im Schließfach auch Bargeld befand?
Davon hat wohl auch schon manches Finanzamt berichtet. Das Problem besteht darin, dass vielfach die Bedingungen für Schließfächer die Einlagerung von Bargeld und Edelmetallen untersagen. In diesen Fällen ist es vom Schließfachversicherungsschutz nicht umfasst. Bares für private Zwecke wird dann nur durch die Hausratversicherung oder durch die Einlagerung in Edelmetallschließfächer gesichert. Bei den speziellen Schließfachversicherungen ist die Haftung regelmäßig beschränkt, mal sind es 11.000 EURO, andere Policen erstatten bis zu 26.000 EURO. Insofern sollte man hier die Police ganz gezielt an den Wert des geplanten Schließfachinhaltes anpassen.
Zudem könnte die Herausforderung für den Kunden darüber hinaus darin bestehen, im Schadensfall zu beweisen, was sich konkret im Schließfach befand. Neben Belegen für die Wertsachen – soweit noch vorhanden – empfiehlt es sich bei der Einlagerung, einen glaubwürdigen Zeugen mitzunehmen. Und hier beißt sich häufig „die Katze in den Schwanz“: ein Schließfach wollen die meisten Anleger ja gerade nicht gegenüber Dritten öffentlich machen.
7. Im Falle des Einbruchs in Steglitz: Kann der Bank vorgeworfen werden, nicht genügend Sicherheitsmaßnahmen getroffen zu haben? Was können, Ihrer Meinung nach, Betroffene tun?
Ohne Kenntnisse der abschließenden Ermittlungsergebnisse Vorwürfe zu erheben, wäre unseriös. Ich kann jedem Kunden zunächst raten, einen Blick in seine Schließfachunterlagen bzw. in seine Hausratversicherung zu werfen. Im Anschluss würde ich den Dialog mit der Volksbank suchen, um zu erfahren, wie sich die Regulierung darstellt. Bevor Kunden jedoch eine abschließende Regelung mit der Berliner Volksbank treffen wollen, empfehle ich jedem Kunden dringend, den angedachten Lösungsvorschlag vor der schriftlichen Fixierung durch einen Anwalt seines Vertrauens prüfen zu lassen. Nur wer umfassend über seine Rechte informiert ist, kann positiv aus der heiklen Angelegenheit heraus kommen. (Zur Rechtslage: s. Fragen 1 und 2). Hier sollte der Kunde nicht an der falschen Stelle sparen. Hier ist nicht etwa – wie es in der Werbung heißt – „Geiz geil“, sondern Wissen Macht. Ob am Ende auch die Berliner Volksbank haften könnte, dürfte davon abhängen, ob sie bei diesem spektakulären Einbruch und dessen Folgen ein Verschulden trifft.